Wollen müssen, wenn man darf?

TEST
Es ist so einfach, unverstanden zu bleiben...

© Copyright Bildmaterial (2015) by Ronaldo Goldberger, Zentrum für für Persönlichkeitsentfaltung, CH-Villmergen/AG

 

9. September 2015

 

Als ich eines Tages in einem Krämerladen gewahr wurde, wie mich der schneidende Tonfall tierisch aufregte, ging ich meinen aus dem vernommenen Stakkato entstandenen Unlustgefühlen nach: "Ich krieg' den Schraubenschlüssel dort hinten links!", gellte es höchst vernehmlich in meinen Ohren. Der Befehl erging an eine behäbige schweizerische Verkäuferin, die artig in Ausführung der kundenseitigen Weisung den Tresen zackig verliess, um das Begehr zu erfüllen.

 

Da erdreistete sich also doch tatsächlich ein "dahergelaufener" Teutone, um seine donnernde Zielsetzung herum kein honigsüsses Ornament zu ranken, sondern seinem Kaufwunsch eindeutige Geltung zu verschaffen. Und dies erst noch in einem Ton, der demokratisch orientierten Eidgenossen zwingend Bauchgrimmen verursachen muss. Wäre ein gewunden angehängtes "bitte!" wirklich so fehl am Platz gewesen? Wäre der barsche Tonträger aus dem rauhen Norden nicht gehalten gewesen, sich den harmonieorientierten Landessitten Helvetiens einigermassen anzupassen?

 

Einmal mehr sei es bemüht, das geflügelte Wort von anno dazumal , als man in kniffligen Situationen noch um Contenance rang:

C'est le ton qui fait la musiqueWir verfügen auf der Klaviatur des Ausdrucks über unzählige Tastaturen. Welche ich betätige, mag gewohnheitsmässig sozusagen reflexartig eingespeichert sein; doch im Verlaufe seines zotteligen Herumstreunens im Sumpf des Alltags bemerkt man unter Umständen, dass man mit den eigenen Sitten und Gebräuchen, die - weil in die Wiege gelegt - überall zum Massstab quasi jeglichen Benimm-Codes heraufstilisiert worden waren, nicht zwingend weiter kommt. 

 

Was muss ich mir als Beziehungscoach nicht alles an verschwurbelten Redewendungen anhören, wenn geschildert werden soll, wie es um den Partnerschaftsdialog bestellt ist. Da wird vorausgesetzt, dass, wenn man etwas diplomatisch anklingen lässt, das geneigte Gegenüber durchaus in der Lage wäre, den Wunsch zu übersetzen. Doch diese subtile Gängelung gelingt nur, insoweit die dergestalt mit wohlwollend abgeschliffenen Kanten metaphorisch über die Rübe gehauenen Mitspieler das durchsichtige Spiel mitgestalten. Elendiglich empfindet sich jener subjektiv gründlich abgewiesene und somit sozusagen missverstandene Part, der die Auswirkungskraft seiner Manipulationen nun in einem Eimer voller Gletscherwasser versenkt sieht. 

 

Was also tun in der Grätsche zwischen der Opulenz grandioser Verklausulierungen, um dem anderen nicht die Wahrheit/den tatsächlichen Sachverhalt/das eigene Missfallen etc. zu bekunden, sowie dem offensiven, unverschnörkelten Ich-will-du-sollst-Anwurf? Wer immer wahrnimmt, mit welchen Mitteln er ans Ziel seiner Wünsche kommt, ohne den anderen verlieren zu lassen an Selbstwert und autonomem Verhalten, wird nicht nur seinen musikalischen Ton ändern, indem er andere Saiten anklingen lässt, nein - er wird eine Palastrevolution in seinem Gedankengebäude vollziehen: Zeitpunkt der Aussage, Tonfall, Realisierungsfähigkeit, Gewichtigkeit des Anliegens - und natürlich die Wortwahl. Ah, und fast hätte ich vergessen: nehmen Sie das Herz in die Hand und überlegen, ob es Ihnen auch noch einen heissen Ratschlag hätte. Hernach oszillieren Sie zwischen "Ich krieg!" und dem "Wie wär's, wenn Du so lieb wärest, und ausnahmsweise, mir zuliebe..."

 

Nachdem ja die Welt zwischendurch eckig ist, gerade wenn Sie sich vornehmen, endlich mal nach Plan vorzugehen, könnte Ihnen natürlich auch in dieser herausfordernden Ausnahmesituation widerfahren, was Sie sich ganz und gar nicht in kühnsten Phantasien auszumalen gewagt hätten: Ihr ach so kostbares, kurzfristig verzärteltes Vis-à-vis stellt sich quer, bockt, mimt den Unschuldigen.

 

Aber dann hellt sich der bedeckte Himmel auf, weil klar wird, was vorher im Diffusen hängen blieb: Das Spiel ist (vorläufig) aus! Bis zur nächsten quirligen Runde jedenfalls, sollte der Protagonist im anderen Spielfeld Musse für den nächsten Anpfiff haben...

Kommentar schreiben

Kommentare: 0